Kapitel 6d: Studium, noch mehr Jobs

Das Korrekturlesen bei der Top-Agentur war schon nett. In einem Monat härtester Schufterei mit insgesamt drei unterschiedlichen Arbeitgebern hatte ich sogar mal fast soviel verdient wie mein Vater, der damals noch Oberbuchhalter in einem mittelständischen Betrieb war. Nach 40 Jahren wurde ihm dann betriebsbedingt gekündigt. Mit ner reellen Abfindung wäre meine Familie aus dem Schneider gewesen, aber sie zockten ihn gehörig ab.

Vielleicht komme ich da auch noch mal drauf zurück, aber erst mal brauche ich ne Chronologie meines eigenen Lebens.

Vermutlich durch nen Aushang an einem der zahlreichen schwarzen Bretter der Uni landete ich bei einem Textilienhändler mit englischen Klamotten. Boutique nennt man solche Läden, glaube ich. Aber ich hab es ja nicht so mit Mode-Quatsch ...

Na jedenfalls bekam ich den Job und tippte Adressen aus nem ziemlich dicken Wälzer ab, in dem die Mitglieder eines Nobel-Clubs standen. Bodo Graf von Hoppeditz zur Niedermulde und Professor Doktor Doktor Meier-Tieferwitz neben den Größen aus Politik und Wirtschaft. Die Adressaten landeten in einer Datenbank und bekamen dann einen Katalog mit den englischen Klamotten.

Nicht wirklich spannend, aber ich wurde im Akkord bezahlt: pro Adresse 20 Pfennige glaub ich. Mit dem Chef, Dr. Hasenbeiss, kam ich recht gut klar, nicht jedoch mit seinem Angestellten, dem Herrn Stichling. Was da genau war, weiss ich gar nicht mehr. Ich machte meinen Job, und ich machte ihn wohl auch ganz gut, denn Monate später rief mich Stichling an und fragte, ob ich für eine weitere Aktion dieser Art noch einmal zur Verfügung stehen könnte, was ich naturlich bejahte.

Mittlerweile denke ich, Hasenbeiss stand bei dem Telefonat daneben um zu kontrollieren, ob Stichling mich auch wirklich anrief, denn danach hörte ich nix mehr von beiden. Vermutlich hat Stichling seinem Chef erzählt, dass ich kein Interesse gehabt hätte.

Egal, denn ein Brüller war der Job eh nicht mit dem schleimigen Hasenbeiss, der auch wie ein Hasenbeiss aussah und besonders mit dem dummen, eitlen und unfreundlichen Fischkopp.

Dann gab es noch einen kurzen Uni-Job im Sprachlabor zur Erstellung einer Bedienungsanleitung der vielen teuren Geräte, aber als ich merkte, dass mein Vorgesetzter wieder so ein Blender ohne Ahnung von irgendetwas war, kündigte ich schnell wieder. Der Typ kannte bei einigen Geräten ein paar Befehle, so dass er irgendeinen Standardspruch in ein Mikro sprechen konnte und dieser dann auf nem Bildschirm wie auf einem Oszilloskop dargestellt wurde. Und die entsprechende Software war ziemlich umfangreich! Nix für mich, besonders auch wegen der Studi-Kollegen und -innen, die ebenfalls keine Ahnung hatten, aber viel zuviel Wert auf diese im Rheinland stark verbreitete Geselligkeit legen.

Im Nachhinein war es sicher kein schlechter Job; meine Kommilitonen und -innen hielten es dort ziemlich lange aus. Und um etwas mehr über artikulatorische Phonetik zu lernen, wäre der Job auch ideal gewesen, aber ich mochte mal wieder einen Chef nicht. Wer weiss, vielleicht hätte dieser Job mich sogar sowohl sprachwissenschaftlich als auch pekuniär zu nem abgeschlossenen Studium begleiten können. Aber hinterher weiss man eh alles besser.

Ich fing bei nem anderen Professor als Bürokraft an und tippte ihm seine medizinisch-juristischen Gutachen, die er mir aus dem Stehgreif diktierte. Ausserdem War ich Systemoperator wie auch bei dem Immobilien-Hai.

Schade, dass der neue Professor ebenfalls ein Choleriker war wie auch der Makler; ich hatte großen Respekt davor, dass dieser Ausländer, dessen Muttersprache ganz sicher nicht die meine war, derart gut Deutsch konnte und seine Gutachten genauso schnell diktierte, wie ich sie dann tippte. Allzu schlecht tippe ich übrigens nicht ^^

Wie auch immer, wenn ich wegen gerechtfertigter Fehler nen Anschiss bekomme, ist das ok, aber nicht aus irgendwelchen Launen heraus! - Ich kündigte wieder, und der Prof rief mir noch nach, als ich hastig meine Jacke anzog und die Tür hinter mir schloss, ich solle ihm doch Bescheid geben, wenn ich mir über eine realistischere Bezahlung klar geworden sei. Er schätzte meine Arbeit also schon und hatte mich mit 15 DM pro Stunde viel zu niedrig entlohnt.

Wieder ein recht interessanter Job, den ich fahren ließ. War ich überheblich, als ich ihm sagte, dass eines seiner Bücher recht schlecht lektoriert worden sei? - Es war ein ähnlich schmales Bändchen wie das des Doppeldocs und wies ähnlich viele Fehler auf. Der Prof war übrigens auch ein Doppeldoc, aber eigentlich fand ich es verzeihlich, dass sich ein paar Fehler fanden, denn er war ja kein Muttersprachler ...

Vermutlich waren die zwei Fehler in einem seiner Gutachten, wegen derer er mich zusammengeschrieen hatte, auch nicht von ihm selbst entdeckt worden, sondern von einem seiner Freunde. Aber es ist keine Art, seine Angestellten anzuschreien. Gut, ich hatte Fehler gemacht, die ich auch einsah. Flüchtigkeitsfehler eben, wie sie beim Tippen immer passieren können. Und wenn ich die Fehlerquotienten des Gutachtens mit den Quotienten der Korrespondenz vergleiche, die ich als Privatperson mit Anwälten hatte, dann wundere ich mich noch immer über den Lärm seiner Zurechtweisung. Punkt. Der Professor war ein Choleriker. ich mochte ihn nicht mehr.

Vermutlich habe ich noch ein paar Jobs vergessen, aber die kann ich ja irgendwann mal einfügen; mal sehen, was meine Kontoauszüge dazu sagen ...