Kapitel 6b: Studium, 2. Job

Leider reichte das Geld langfristig nicht, sonst hätte ich es bei den IT-lern mit zum Teil nahtloser Vergangenheit sicher länger ausgehalten; dass ich nicht gerade unbeliebt war, bewies mir einige Zeit später ein Anruf meines Vorgesetzten, der wieder einen Job für mich gehabt hätte. Aber ich hatte bereits gekündigt und war ein neues Teilzeitbeschäftigungsverhältnis eingegangen.

Türkisch soll die Bandwurmsprache sein? - und was ist mit dem langen Wort im letzten Absatz? Hm. Vielleicht hab ich auch gerade eine Sonderregel der Rechtschreibreform vergessen, an die ich mich ja eigentlich eh nicht sonderlich genau halte und die sowieso höchstens ein Prozent der verwendeten Wörter zu betreffen scheint. Aber das ist mal wieder ein anderes Thema.

Na jedenfalls kündigte ich bei dem Konzern mit den damals so aussergewöhlichen graphischen Benutzeroberflächen und arbeitete nahtlos weiter: In der Universitäts-Frauenklinik.

Praktisch war nicht nur, dass ich mehr verdiente, sondern auch auf das Herumreisen verzichten konnte, denn das sparte pro Woche noch mal ein halbest Dutzend Stunden mindestens. Ich hatte es in dem neuen Job allerdings weder mit primären Geschlechtsmerkmalen noch mit Sekundärliteratur zu tun, sondern - wieder mal richtig kreativ - mit dem Layout eines technischen Vergleichstests von Kardiotokograhen. Und meinen ersten Professor als Arbeitgeber.

Kardiotokographen stellen die Wehentätigkeit einer werdenden Mutter den Herzschlag ihres noch ungeborenen Kindes gegenüber. Wenn sich also z.B. während der Geburt die Nabelschnur des Fetus um dessen Hals gelegt hat und der Herzschlag ansteigt, weil die Blutzufuhr zum Gehirn beeinträchtigt ist, dann sieht man das sofort. Allerdings je nach Gerät mehr oder weniger genau.

Jedenfalls konnte ich nach Herzenslust Absatzformate definieren und die Diagramme scannen; allerdings waren die Scanner längst nicht so genau wie die noch analog funktionierenden Kopiergeräte, aber da mir mein umsonst vergossener Schweiss bezahlt wurde, schweige ich mal dezent.

Zum Löten seiner eigenen Schaltungen hatte der Professor leider einen anderen, sonst hätte ich das auch gern noch übernommen, aber so dünnte sich die Arbeit nach der Veröffentlichung mal wieder aus, so dass ich gezwungen war, meine Fühler wieder einmal nach einem neuen Job auszustrecken. Ich kündigte, bevor ich nur noch von Marmelade mit Nudeln leben musste.

Allerdings hatte ich ja nicht nur gearbeitet, sondern auch eifrig studiert. Der Doktor, der einen recht unverständlichen Text über den "Homo Faber" von Max Frisch für das Vorlesungsverzeichnis geschrieben hatte, setzte sich nun nicht länger mehr mit literarischen Proseminaren auseinander, sondern war zu den Studierenden verbannt worden, für die Deutsch eine Fremdsprache war. Vielleicht sogar wegen meines Pamphletes, in dem ich mich mit seinen abgekürzten Heidegger-Zitaten auseinandergesetzt hatte. Was mir einen kongenialen Anstrich verlieh und mich viele neue Leute kennenlernen liess, die ich allerdings fast alle wieder vergessen habe.

Kommunikation interessierte mich allerdings neben Rhetorik und Literatur auch noch, so dass ich auch zu diesem Thema ein Proseminar besuchte. Mittlerweile dürfte der Dozent, ein Doppeldoc, sicher eine zweistellige Auflagenhöhe erreicht haben, denn er publizierte das Buch zum Seminar im Selbstverlag. Und da er mich eh schon früh wieder aus seinen Vorworten verbannt hat, nämlich nach der übernächsten Auflage, wird er es mir sicher auch verzeihen, dass ich nun doch etwas über meinen mit seiner Hilfe erreichten Weitsprung in meinem beruflichen Werdegang erzähle, obwohl ich ihm eigentlich mein Schweigen zugesichert hatte. Aber da ich eh nicht vor habe, seinen Namen zu nennen, traue ich mich einfach.

Wie bei immer mehr Veröffentlichenden hatte er einige Schwierigkeiten mit den diversen "dassen%quot; unserer Sprache, so dass ich in seinem mit einhundert Seiten recht schmalen Bändchen über Kommunikation und Rhetorik doch tatsächlich auf die stolze Fehlerzahl von 333 kam. Zunächst hatte ich nur von ca. 50-100 gesprochen, aber eben direkt zu ihm. Prompt schenkte er mir ein Exemplar mit der Bitte, die betreffenden Stellen doch ruhig anzustreichen und es ihm dann wieder zurück zu geben - ich erhielte dann ein neues der überarbeiteten Auflage.

Und so verlor ich meinen Respekt vor dem gedruckten Buch. Und ich lernte in den Semesterferien die Korrekturzeichen, die glücklicherweise im Standardduden mit abgedruckt werden. Wie glücklich es mich macht, dass ich den gerade so frei von der Leber weg geschrieben habe. Aber ich lasse die Schreibung vorerst mal so; vielleicht bin ich ja wirklich ein kleiner Dichter und brauche mich um derlei Fliegenschisse gar nicht zu kümmern?

Na jedenfalls waren meine Semesterferien recht stressig, denn neben den Scheinen, die ich mir vorgenommen hatte, war da noch diese Korrekturarbeit. Aber ich schaffte sowohl ein paar Scheine wie auch das kleine Büchlein - und bekam im nächsten Semester tatsächlich ein Exemplar der neuen Auflage mit meinem Namen im aktuellen Vorwort: Wie peinlich und überhaupt, aber trotz gewissenhaften Lesens übersähe man und die vielen zur Unterstützung dazu gebetenen Freunden ja doch einiges, so dass man dem Bartleby ja recht dankbar sein müsse, dass er mal so richtig gründlich nachgesehen habe ...

Vermutlich war ich wegen dieser beiden Tätigkeiten, dem Korrekturlesen und der Typographie des Tests, während meines Studiums niemals länger als zwei Monate arbeitslos.