Kapitel 4: Lehrjahre

Freundin weg, Zivildienst zu Ende, Studium negativ besetzt wegen Freundin - und Handwerk soll doch goldenen Boden haben?!

Mit Holz hatte ich schon gearbeitet; Mein Opa war Schreiner und ne halbe Ausbildung hatte ich da schon kassiert, aber ich wollte in Hephaistos' Spuren treten und den Kampf mit den Metallen aufnehmen. (Hoffentlich war der das auch - war jetzt nach Gedächtnis)

Einfache Metallerfahrungen hatte ich ja schon durch das Praktikum bei dem Zahntechniker und ein weiteres bei einem Goldschmied (der mich ebenfalls als Lehrling haben wollte), sowie durch meine Zinnsoldaten- und Reinzinn-Phase. Eine Mutter einer Freundin, die dann leider doch keine wurde (also keine Geliebte), fragte sogar mal besorgt am Geburtstag der Freundin, also ihrer Tochter, über den glänzenden, massiven Armreif, ob er denn aus Silber sei, was ich verneinte, denn im zarten Alter von 15/16 arbeitete ich nur mit Reinzinn. Vatta hatte wegen guten Zuredens von Mutta ein paar Krüge geopfert, die er eh vielfach hatte. Und die hatte ich dann eingeschmolzen.

Tja, beim Goldschmied zahlte ich ein paar Mark, damit ich meine Schöpfungen behalten durfte - Mit DEN Kenntnissen und ein paar Mark für das Silber wäre das mit der ersten richtigen Freundin sicher ein paar Jahre früher möglich gewesen. Doch Reinzinn färbt leider ab.

Jedenfalls lernte ich Laubsägen mit hauchdünnen Sägeblättern kennen, Säurebäder, Polierscheiben, Feilen und vieles mehr. Ich war derart begeistert, dass ich mir für ein paar hundert sauer verdienter Mark einige Zangen, einen Sägebogen und -blätter leistete, damit ich auch den Rest des vom Goldschmied erworbenen Silbers noch nach Ablauf des Praktikums verarbeiten konnte. Es macht noch immer derart viel Spass, dass ich von Zeit zu Zeit einige Meter silbernen Draht und Blech kaufe ...

Edelmetalle zu schmieden macht mir zugegeben viel Spaß, aber ich hatte schon damals, als ich erst halb so alt war wie ich es jetzt bin, schon die Weitsicht, dass ich viel zuviel Konkurrenz haben würde, um mit viel Spaß, aber wenig Stress meinen Lebensunterhalt davon bestreiten zu können. Ausserdem fehlte mir irgendwie die technische Komponente, die ich beim Zahntechniker immerhin erlebt hatte, denn auch dort werden Metalle, insbesondere Edelmetalle, verarbeitet - ich sag nur Goldzahn.

Einer der Gesellen hatte sich sogar nen goldenen Autoschlüssel mit der Schleudergussmaschine gebastelt, aber Zahntechnik war eh vorbei, es stank mir zuviel - und wäre aus heutiger Sicht eh ein Schuss in den Ofen gewesen, wie ich schon erläuterte.

Ich wollte also Werkzeugmacher werden, denn wer die wirklich harten Metalle beherrscht, braucht mit dem richtigen Geschick über die viel weicheren Edelmetalle nur zu schmunzeln, denn die sind dann sozusagen gratis inclusive.

Leider hatte ich zu dieser Zeit äusserst langes Haar, was weder den Werkzeugmachern noch den Feinmechanikern gefiel, auf die ich auch noch ausgewichen war. Vor zwanzig Jahren war die Lehrstellensituation zwar schon ziemlich bitter, aber doch noch nicht ganz so bitter für Abiturienten mit Praxiserfahrung und den beidenen goldenen Handwerkshänden, so dass ich zwar unglücklich, aber immerhin, einen Ausbildungsvertrag zum Büromaschinenmechaniker bekam.

Aber die langen Haare mussten ab; heute trage ich sie eh kurz, weil ich viel zu faul für ne tägliche Haarwäsche mit ner halben Stunde Durchkämmzeit bin. So reinigte ich diverse Büromaschinen, hätte nen Preis im Feilen bekommen, wenn ich es noch hätte tun müssen und tauschte ab und zu auch mal eine elektronische Baugruppe aus. Die Elektronik hatte Einzug in die Büromaschinenwelt gehalten, aber die Anwendungen waren noch relativ stark getrennt, so dass es Schreibmaschinensysteme meist mit Typenrad gab, ausserdem noch Diktiergeräte, Rechenmaschinen - und auch schon PCs. Vorinstalliertes Betriebssystem gab es allerdings nur auf Bestellung und gegen Aufpreis.

Die PCs waren für mich Hobby und Freizeit nebenbei, bis sich der Junior-Chef, der mich auch eingestellt hatte, mit seinem Vater verkrachte und eine eigene Firma aufmachte. Irgendwann buchte mich der Junior dann für ein halbes Jahr ab, damit ich auch noch etwas über das Vorinstallieren von PCs lernte. Ich hatte eigentlich nur Maschinen gereinigt und manchmal auch eine Museums-Schreibmaschine repariert; dass ich für sowas nen Draht hatte, war relativ schnell bekannt.

Nun also Pcs. Ich machte mir Notizen über die Vorgehensweise, welcher DOS-Befehl wann zu geben war, füllte ab und zu auch Tüten mit Verbrauchsmaterialien wie Druckertinte oder -farbbändern - und dann kam ein grösserer Auftrag mit -zig Laserdruckern, deren Basis-Speicher dem Kunden zu klein war, so dass sie etwas aufgemotzt werden mussten.

Heutzutage klemmt man sich so einen Drucker bequem unter den Arm, aber vor zwanzig Jahren wog ich erst doppelt soviel wie der Drucker, und es waren für mich unendlich viele. Ich musste jedes Mal einen aus dem Regal wuchten, auspacken, aufschrauben, einen Speicherchip einbauen, das Ding wieder zuschrauben, einpacken und wieder zurück ins Regal wuchten.

Bis zum Feierabend hielt ich tapfer durch, aber am nächsten Tag fühlte ich mich wie ein Greis, denn ich konnte mich nicht mehr aufrichten. So schleppte ich mich im Quasimodo-Look zum Arzt, der einen Bandscheibenvorfall diagnostizierte. ""Klasse, ersehnter 5-Kilo-Schein", mag der naive Leser denken, aber nachdem mein allererster Meister, der Schreiner-Opa, gestorben war, wurden mir seine Aufgaben mit dem Holz im Haus übertragen. Naja, es vergeht kein Tag, an dem ich die kaputte Bandscheibe NICHT spüre, aber es scheint sich nicht verschlimmert zu haben. Vor allem entwickelte ich Strategien, sie zu überlisten. Und manchmal bereue ich, die Holz-Fertigkeiten nicht ausgebaut zu haben. Andererseits brachte ich mir selbst Drechseln und Schnitzen bei. Was mir fehlt, sind eigentlich nur die Scheine, also was solls ^^

Jedenfalls war ich aufgrund des Bandscheibenvorfalls wochenlang krank geschrieben, und nach der sogenannten "Genesung" war von Computern natürlich keine Rede mehr. Der Junior holte sich nen schleppkräftigeren Azubi, und ich schruppte wieder mit in Elefantenspray getauchter Bürste die Klischees. Äh, Elefantenspray war ein gesundheitsschädliches Gemisch aus organischen, zum Teil aromatischen Kohlenwasserstoffen - und Chlor war wohl auch noch in die Lösemittel eingebaut, denn dann verdampft das Gebräu nicht so schnell. Klischees sind die Logo- und Datumsstempel zum Beispiel in Frankiermaschinen.

Wegen aussergewöhnlich guter Leistungen konnte ich um ein halbes Jahr verkürzen, aber weil es versäumt wurde, mir einige Details im Zusammenhang mit elektrischen Schreibmaschinennetzteilen mitzuteilen, absolvierte ich die praktische Prüfung eine ganze Note schlechter. Trotzdem wurde ich noch Jahrgangsbester - und meine elektronischen Spielereien, die wir während der Lehrzeit in der Berufsschule gefertigt haben, existieren dort wohl noch heute, denn der Lehrer hat sie mir abgekauft. Vermutlich war ich schon ein ausgefuchster Elektroniker wegen der Experimentierkästen, die ich ja schon seit Ewigkeiten sammle.

Ich bestand, bekam einen Vertrag angeboten und hätte viel zu wenig verdient, so dass ich ablehnte. Der Ausbildungsbetrieb erteilte mir Hausverbot, aber ich wollte eh niemanden von denen mehr sehen. Ich war das zweite Mal in meinem Leben arbeitslos - das erste Mal war zwischen Abi und Zivildienst. Immerhin war ich jetzt jahrgangsbester Büroinformationselektroniker, aber auch wenn sich die Berufsbezeichnung positiv von der in meinem Lehrvertrag unterschied, denn die Anforderungen hatten sich geändert - ich fand trotz -zigfacher Bewerbungen keinen Job.